NZZ Nr. 33, 9./10. Februar 2002

Exquisite Ruinen

Havannas Kunsthochschule – ein architektonisches Meisterwerk  

Auf der Suche nach einer adäquaten architektonischen Umsetzung des kulturellen Optimismus im sozialistischen Kuba entstand kurz nach der Revolution mit der Kunsthochschule in Havanna ein einzigartiges, expressiv-organisches Bauensemble, das heute teilweise noch in Gebrauch ist, teilweise aber leer steht und langsam zerfällt.  

Ende der fünfziger Jahre hiess Havannas Stadtteil Cubanacán noch Country Club Park und war Wohnsitz der reichsten Familien der Stadt. Dann wurde hier auf dem Gelände des ehemaligen Golfklubs die staatliche Kunsthochschule errichtet. Heute droht die üppige Vegetation Teile der Backsteinbauten zu überwuchern. Darunter befindet sich eine gewaltige Ruine. Ihr Inneres ist kühl und feucht, der Boden mit Schutt übersät. Sparsam dringt tropisches Licht durch die schmalen Abstände der Dachschalen in den Mittelkorridor. Alles scheint in Bewegung, konkave und konvexe Wände erzeugen ein dynamisches Raumerlebnis. Links und rechts alternierend liegen die Zugänge zu den überkuppelten Haupträumen. Hier dominiert das Licht – reiner, hoher Raum. Mit dieser Ballettschule realisierte Vittorio Garatti 1965 den Höhepunkt der Gebäudegruppe – benutzt wurde die Ballettschule indes nie.

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